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Was ist eine Misteltherapie?

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Geschichte

Die Mistel ist im Verlauf der letzten 100 Jahre auf neue Art in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die keltischen Druiden hatten sie als die «alles Heilende» verehrt. Im Mittelalter wurde sie gegen Leberleiden eingesetzt, später auch zur Blutdrucksenkung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwachte ein neues Interesse für die Mistel. Um das Jahr 1907 fing der Münchner Botaniker Karl von Tubeuf an, alles damals verfügbare Wissen aus Naturwissenschaft, Mythologie und Kulturgeschichte der Mistel zu sammeln, das er 1923 als «Monografie der Mistel» veröffentlicht hat.

Bereits im Herbst 1904 begann Dr. Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, im Rahmen seiner geisteswissenschaftlichen Lehr- und Forschungstätigkeit über die Mistel zu sprechen. Seine Impulse wurden von der Ärztin Dr. Ita Wegman aufgegriffen, die gemeinsam mit dem Apotheker Adolf Hauser das erste Mistelpräparat zur Injektion entwickelte. Bereits 1917 behandelte sie damit in ihrer Zürcher Frauenarztpraxis Krebspatientinnen mit gutem Erfolg. 1920 war die Misteltherapie dann soweit in ihren Grundzügen ausgearbeitet, dass sie in Dornach, Schweiz, auf dem ersten anthroposophischen Fachkurs für Mediziner vorgestellt werden konnte.

1935 begründete Dr. Ita Wegman gemeinsam mit Kollegen in Arlesheim, Schweiz, den Verein für Krebsforschung, dessen Aufgabe noch heute die kontinuierliche Weiterentwicklung der Misteltherapie ist. Heute sind Mistelpräparate die am meisten verordneten Arzneimittel in der komplementären bzw. integrativen Krebstherapie. Sie sind somit zu einer biologischen Standardtherapie geworden.

Das Ziel der Misteltherapie besteht in erster Linie darin, die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten zu verbessern. Viele Betroffene erleben während der Misteltherapie eine schnelle Verbesserung des Allgemeinbefindens, eine Normalisierung des Schlafverhaltens und auch Appetit und Leistungsfähigkeit nehmen wieder zu. Tumorbedingte Schmerzen können gelindert, das Immunsystem gestärkt und die Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie reduziert werden.

Botanik der Mistel

Die Mythen, die sich um die Mistel ranken, lassen sich zum Teil aus ihren botanischen Eigenschaften erklären. Denn die Mistel ist in der Tat eine eigenartige Pflanze. So wächst sie als Halbschmarotzer (Semiparasit) auf anderen Bäumen und Sträuchern, kann aber im Boden keine Wurzeln bilden. Die Beeren enthalten keinen Samen, sondern einen Nährgewebekern mit zumeist zwei Pflanzenembryonen, die den gesamten Winter hindurch mit Licht versorgt werden müssen, um ihre Keimfähigkeit zu bewahren. Vogelarten wie Misteldrossel und Seidenschwanz fressen die weissen Beeren und scheiden die Kerne wieder aus, worauf sie an einem Ast kleben bleiben. Die Mönchsgrasmücke klebt den Kern mit dem Schnabel direkt an den Ast, auf dem sie sitzt. Die Embryonen bilden sogenannte Senker, die langsam vom Holz umwachsen werden und den Mistelkeimling so im Baum verankern. Durch die Senker lässt sich die keimende Mistel mit Wasser und Nährstoffen versorgen.

Die Mistel wächst nur sehr langsam und erhält erst nach Jahren ihre typische kugelige Gestalt. Erst nach fünf bis sieben Jahren beginnt die Mistel zu blühen. Im Alter von 10 bis 15 Jahren kann sie geerntet und dann zu einem Arzneimittel verarbeitet werden. In der Krebstherapie ist nur die Weissbeerige Mistel (Viscum album L.) im Einsatz, die ihren Namen den weissen, lichtdurchlässigen Früchten verdankt.

In Mitteleuropa kommt sie in drei Unterarten vor: als Laubbaummistel, als Kiefernmistel und als Tannenmistel. Die Laubbaumistel wächst besonders häufig auf Apfelbäumen und Pappeln, sie ist aber auch auf Ahorn, Birken, Linden, Mandelbäumen, Robinien, Weiden, Weissdorn und sehr selten auf Eichen und Ulmen zu finden.

Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen

Mistelextrakte weisen vielschichtige Wirkungen auf. Sie können das Immunsystem anregen, Tumorzellen schädigen und im Gegenzug die Erbsubstanz gesunder Zellen vor Schädigungen schützen. Zudem können durch eine Misteltherapie die Nebenwirkungen der Chemo- oder Strahlentherapie vermindert und dadurch die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert werden. Auch das tumorbedingte Erschöpfungssyndrom (Fatigue) kann durch eine Misteltherapie deutlich abgeschwächt werden. Zudem können auch stimmungsaufhellende und schmerzreduzierende Wirkungen beobachtet werden, was auf eine vermehrte Ausschüttung von körpereigenen beta-Endorphinen zurückgeführt wird.

Die beobachteten Wirkungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener Substanzen. So enthalten Mistelextrakte über 600 Eiweissstoffe (Proteine), wobei die Mistellektine und die Viscotoxine zu den pharmakologisch wichtigsten Bestandteilen der Mistel zählen. Der Gehalt der verschiedenen Inhaltsstoffe ist abhängig von der Jahreszeit, dem Entwicklungsstand der Pflanze, dem Erntezeitpunkt, dem Standort und dem Wirtsbaum, auf dem sie wächst.

Mistellektine sind zuckerhaltige Eiweissverbindungen, die unter experimentellen Bedingungen das Wachstum von Krebszellen hemmen oder sie abtöten, sie wirken also zytostatisch und zytotoxisch. Einer der möglichen Wege, gewisse Krebszellen abzutöten, ist der durch Mistellektine ausgelöste programmierte Zelltod, die sogenannte Apoptose. Zudem beeinflussen die Mistellektine das Immunsystem (Immunmodulation).

Viscotoxine (von Viscum) sind kleine Eiweissmoleküle, deren Wirkungen (bisher) weniger detailliert erforscht sind als die der Lektine. Bekannt ist, dass Viscotoxine im Experiment Krebszellen auflösen, indem sie deren Zellwand zerstören (zytolytische Wirkung, Nekrose). Darüber hinaus können sie, ebenso wie Lektine, das Immunsystem anregen. Vor allem steigern sie die Aktivität der «natürlichen Killerzellen» und der Granulozyten.

Im Sommer hat die Mistelpflanze einen hohen Viscotoxingehalt, im Winter hingegen ist der Gehalt an Mistellektinen besonders hoch. Unter anderem deshalb wird die Mistelpflanze zweimal im Jahr, und zwar im Juni und im Dezember, geerntet, verlesen und mittels einer milchsauren Gärung (Fermentation) zu Pflanzensäften verarbeitet. Diese Extrakte aus der Sommer- und Wintermistel werden dann in einem speziellen Verfahren gemischt. Ausserdem stellt das Herstellungsverfahren sicher, dass das Präparat auch andere Inhaltsstoffe der Mistel in ausreichender Menge enthält.

Der Satz «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile» (Aristoteles, 384 – 322 v. Chr.) gilt ganz besonders für die Misteltherapie. Deshalb entfaltet nur der Gesamtextrakt aus gleichen Teilen von Sommer- und Wintermistelsaft das breite Wirkspektrum in der komplementären Krebstherapie. Da eine Misteltherapie «immunmodulierend» wirkt, also Zellen des Immunsystems aktiviert werden, wird gleichzeitig auch die Abwehrkraft gesteigert.

Dies kann in der Krebstherapie dreifach nützlich sein:

  • Einer Immunschwäche kann entgegengewirkt werden, was wiederum zur Verbesserung des Allgemeinbefindens beiträgt.
  • Operation, Bestrahlung und/oder Chemotherapie schwächen das Immunsystem erheblich. Wird es mithilfe einer Misteltherapie gestärkt, kann es sich gegen andere Krankheiten, wie z. B. Infektionen, besser wehren. Und die Patientinnen und Patienten erholen sich schneller.
  • Ein intaktes Immunsystem hilft in der Nachsorge-Phase, Rückfällen vorzubeugen. Deshalb sollte die Misteltherapie auch nach der eigentlichen Krebstherapie über einen längeren Zeitraum hinweg fortgesetzt werden.

Mistelpräparate wirken ganzheitlich

Vielfach lässt sich beobachten, dass die Mistel aktiviert, die Lebensgeister weckt und von der lähmenden Angst befreit, die häufig nach einer Krebsdiagnose Denken, Fühlen und Handeln bestimmt. Sie trägt dazu bei, von dem Schock der Diagnose Abstand zu gewinnen, herauszufinden aus der Ohnmacht und somit dem Leben wieder positiv zu begegnen.

Darüber hinaus wirkt eine Misteltherapie auch durchwärmend, indem sie die Körpertemperatur wieder normalisiert, die eng mit der Funktion des Immunsystems verbunden ist. Das empfinden viele Krebskranke als besonders angenehm, denn sie frieren und frösteln oft, weil sie bedingt durch Krankheit und Chemotherapie, ihre Körpertemperatur nicht wie Gesunde regulieren können.

Über die Misteltherapie können Patientinnen und Patienten einen neuen Zugang zu ihrem Körper finden. Sie lernen, noch besser auf ihn zu hören, seine Signale wahrzunehmen und zu verstehen. Bei schwerer Erkrankung trägt die Misteltherapie dazu bei, die Lebensqualität zu verbessern.

Anwendung

Der Mistelextrakt wird als Spritze (Injektion) verabreicht. Dabei wird, ähnlich wie bei einer Insulininjektion, in die Unterhaut (subkutan) gespritzt, was man als Patientin oder Patient auch selbst vornehmen kann. Hierbei ist zu beachten, dass mindestens die erste Injektion gemeinsam mit dem behandelnden Therapeuten durchgeführt werden sollte. Er kann auch zeigen, wo injiziert werden soll und was sonst noch getan werden muss. In der Regel wird das Mistelpräparat zwei- bis dreimal pro Woche gespritzt. Dabei hat es sich bewährt, die Injektion am Morgen vorzunehmen.

Was ist bei der Injektion zu beachten?
Mistelpräparate sind im Kühlschrank zu lagern. Es empfiehlt sich daher, die benötigte Ampulle mit dem Mistelextrakt vor Gebrauch kurz in der Hand zu erwärmen. Bei der Injektion ist auf eine streng subkutane Injektionstechnik zu achten, das heisst es wird in einem Winkel zwischen 30 und 45° unter die Haut gespritzt. Geeignete Stellen dafür sind die Bauchregion und die äussere Seite des Oberschenkels.

Rötungen um die Injektionsstelle (bis maximal 5 cm Durchmesser) können vorübergehend auftreten und sind kein Grund zur Beunruhigung, sondern eher ein Hinweis auf eine normale Reaktion auf den Mistelextrakt. In der Regel klingt diese Lokalreaktion bis zur nächsten Injektion wieder ab. Wichtig ist, dass die Einstichstelle regelmässig gewechselt wird, um zusätzliche Hautreaktionen zu vermeiden. Auch ist darauf zu achten, nicht in entzündete Hautareale, Operations- oder Bestrahlungsfelder zu injizieren.

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